Die Macht der Flexitarier
Gerade entsteht ein gigantischer Markt für pflanzen-basierte Nahrungsmittel und Fleischersatzprodukte. Er zielt auf die wachsende Gruppe der Flexitarier ab. Dank ihrer Macht kann es gelingen, in absehbarer Zeit einen elementaren Beitrag zur Lösung der dringendsten Probleme unserer Zivilisation leisten: Klimakrise, Hungersnot und Massentierhaltung.

Eine TV-Doku über die Missstände in der Mast und Massentierhaltung hat mir gereicht.
Als ich vor 15 Jahren beschloss, kein Fleisch mehr zu essen, war mir nicht bewußt, wie schwer es mir fallen würde. Obwohl es damals bereits Fleischersatzprodukte gab, war deren Geschmack und Konsistenz fragwürdig bis ungenießbar.
Statt dessen entdeckte ich Altbekanntes wieder und fand neu Gefallen daran: Hummus, Haloumi, Falafel, damals noch exotische Speisen in Deutschland.
Die Anzahl derer, die sich vegatarisch ernähren, nimmt stetig zu, wenn auch nur langsam: In Deutschland gibt es heute ca. 8 Mio. Menschen, die sich überwiegend vegan oder vegetarisch ernähren – das sind etwa 10 Prozent der deutschen Bevölkerung. Vor 15 Jahren waren es nur halb so viele.
Irgendwie hatte ich erwartet, dass der Fleischkonsum mit der Zeit zurückgehen würde. Das Gegenteil ist der Fall. Die Produktivität in der Fleischindustrie nimmt ständig zu. Was leider dazu führt, dass genauso viele Menschen, 10 Prozent der Deutschen, mehr Fleisch konsumieren, weil es immer billiger wird.
15 Jahre lang auf Argentinische Rindersteaks, Schwarzwälder Schinken, Thüringer Bratwürste und Bayerische Leberkässemmeln verzichtet – alles umsonst?
Nein. Denn ich habe durch meinen Fleischverzicht indirekt dazu beigetragen, einen Markt zu entwickeln, der für Kapitalisten lukrativer ist als die Produktivitätszuwächse der Fleischindustrie.
Und der nimmt nun wirklich Fahrt auf und könnte in absehbarer Zeit einen elementaren Beitrag zur Lösung der dringendsten Probleme unserer Zivilisation leisten: Klimakrise, Hungersnot und Massentierhaltung.
Ein neuer Markt entsteht
10 Prozent der deutschen Bevölkerung ernährt sich heute überwiegend vegan oder vegetarisch. Das reicht bei Weitem nicht, um die Massentierhaltung zu stoppen. Aber es ist groß genug, um einen neuen lukrativen Markt entstehen zu lassen – nämlich den für „ebenbürtige“ Fleischersatzprodukte.
In Deutschland erkannte dies als eines der ersten das Unternehmen „Rügenwalder Mühle“. Ich erinnere mich an Mitte der 2010er Jahre: da brachte das Unternehmen ein vegetarisches Fleischersatz-Produkt auf dem Markt, das meine geliebte Mortadella-Wurst täuschend echt nachahmte – und das in jedem Supermarkt erhältlich war.
Zielgruppe dieser Produkte waren zunächst die Leute, die sich vegan oder vegetarisch ernähren und dabei nicht auf echten „Fleischgeschmack“ verzichten wollten.

Etwa zur gleichen Zeit begann auf der anderen Seite des Atlantiks der Hype um Beyond Meat und Impossible Foods – die Medien hatten ihr neues Fressen gefunden: „Fake Meat So Good It Will Freak You Out“ – solche und ähnliche Titel fanden ihren Weg in die Schlagzeilen.
Was dann geschah, ist unglaublich: Geschmack und Konsistenz der Fleischersatzprodukte überzeugten zunehmend auch die fleischessende Bevölkerung.
Hinzu kam die Klimabewegung unter jungen Menschen, die 2018 begann. Sie förderte einen neuen breiten öffentlichen Diskurs über klimapolitische Ziele und Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels.
Neben dem ethischen Aspekt der Massentierhaltung rückt nun der klimapolitische immer mehr in den Fokus: Nutztierhaltung und die Produktion von Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs tragen einen wesentlichen Anteil zu den weltweit emittierten Treibhausgasen bei.
Die Klimakrise zwingt einen jeden von uns, gewohnte Verhaltensmuster zu überdenken. Und das – dank der soziale Medien – immer öffentlicher.
In meinem privaten Umfeld kenne ich inzwischen niemanden mehr, der seinen Fleischkonsum nicht grundlegend überdacht hat: die Bandbreite reicht dabei von „vollständigem Verzicht“ bis hin zu „gelegentlichem Verzehr“ von Fleisch. Vom „täglichen Verzehr“ spricht eigentlich niemand mehr.
Derzeit findet in fast allen westlichen Industrienationen ein Paradigmenwechsel statt: vom Fleisch-Esser zum Flexitarier – eine Art Teilzeit-Vegetarier, der nur gelegentlich Fleisch konsumiert und beim Fleischkauf besonders viel Wert auf Tierschutz und Qualität der Nahrung legt.
Glaubt man einer im Auftrag des Vegetarierbundes Deutschland (VEBU) durchgeführten Forsa-Studie, gibt es in Deutschland bereits 42 Mio. „Teilzeitvegetarier“. Definiert wurden die Flexitarier bei dieser Umfrage als Personen mit einem Fleischverzicht an mindestens drei Tagen pro Woche.
Nach dieser Definition wäre bereits die Hälfte aller Deutschen Flexitarier. Wenn die realistischere Auslegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung aus dem Jahre 2013 zugrunde gelegt wird, können fast 12 Prozent der deutschen Bevölkerung der Gruppe der Flexitarier zugeordnet werden, wobei weitere 10 Prozent angeben, dass sie ihren Fleischkonsum in Zukunft reduzieren wollen. Und Deutschland steht erst am Anfang dieses Trends.
Rechnen wir noch die Gruppe der Veganer und Vegetarier hinzu können wir zusammengefasst realistisch davon ausgehen, dass in Deutschland bald ein Drittel der Bevölkerung kein oder nur noch wenig Fleisch konsumiert und wenn, dann bewußt qualitativ hochwertiges Fleisch.

Schon heute konsumieren fast ein Viertel der US-Amerikaner regelmässig pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte, berichtet DER STANDARD und bezieht sich auf eine Studie aus dem Jahr 2018.
Und damit entsteht ein gigantischer Markt für pflanzen-basierte Nahrungsmittel und Fleischersatzprodukte. Ein Markt, der das Potenzial hat, die gesamte tierische Nahrungsmittelproduktion – wie wir sie kennen – auf den Kopf zu stellen.
Die Mast und Massentierhaltung gerät wirtschaftlich immer mehr unter Druck. Gleichzeitig profitiert der Kampf gegen die Treibhausgase.
Fleischlos glücklich
Dabei fällt es selbst Flexitariern nicht einfach, auf Billigfleisch zu verzichten. Der Aufwand, weniger Fleisch zu essen und trotzdem abwechslungsreiche Mahlzeiten einzunehmen, ist fast genauso hoch, wie gänzlich auf Fleisch zu verzichten.
Denn wer ganz normal arbeiten geht und zum Mittagessen auf Kantine oder die ortsübliche Gastronomie angewiesen ist, wird nicht auf ein hochwertiges Fleischangebot hoffen können und bald feststellen, dass sich die fleischlosen Alternativen in Grenzen halten.
Deshalb ist wichtig, dass sich Fleischersatzprodukte auch immer mehr im Fast Food-Bereich, in der Massen- und Systemgastronomie durchsetzen. Denn wer die Wahl hat zwischen einen Plant-based Whopper mit Pommes oder die eigenen Vorsätze über Bord zu werfen, wird sich im Zweifel für das Gute entscheiden und dieses noch zu verstärken suchen: also den Plant-based Whopper mit Pommes, dem Klima und Tierwohl zuliebe.

Oft höre ich das Argument, dass pflanzenbasierten Fleischersatzprodukte hochverarbeitet und deshalb genauso ungesund seien wie die Fleischvarianten – oder sogar noch ungesünder.
Lange Zeit war ich da auch skeptisch, bis ich auf einen Artikel über Beyond Meat-Chef Ethan Brown stieß, wo er direkt auf den Aspekt der „processed“ Proteine eingeht. Sein Argument: das Eiweiß und die Fette direkt aus den Pflanzen zu gewinnen sei ein viel einfacherer Prozess als die Produktion über den Umweg der Tiere.
Wenn man bedenkt, welchem Stress und Arzneien die Tiere ihr kurzes Leben lang ausgesetzt sind, damit sie unter übelsten Haltungs-Bedingungen ihr Fleisch produzieren können, deutet Brown’s Argument auf einen oft vernachlässigten gesundheitlichen Aspekt der natürlichen Fleischproduktion hin.
Mast und Massentierhaltung sind alles andere als natürlich – die Tiere werden krank und müssen oft mit Antibiotika und anderen Arzneien aufgepäppelt werden. Das geht so weit, dass wir sogar unsere Reserve-Antibiotika an Mast-Tiere verhökern und damit unsere eigene Gesundheit gefährden.
„Wiegt das Recht auf ein Billigsteak mehr als die Sicherung menschlicher Gesundheit?“ – fragt etwa der Spiegel, und spricht damit auf ein Problem in der Massentierhaltung an, dass den meisten Menschen gänzlich unbekannt sein dürfte: nämlich das der Reserveantibiotika, die Menschen retten sollen, wenn Antibiotika versagen.
Reserve-Antibiotika, auch als Notfall-Antibiotika bekannt, stellen für viele Menschen die letzten Mittel dar, um eine bakterielle Infektion zu behandeln. Werden diese Antibiotika hingegen massenhaft in der Tierhaltung eingesetzt und in der Folge durch die Nahrung an den Menschen weitergegeben, entstehen Resistenzen.
Glaubt man einer von Germanwatch erst kürzlich veröffentlichten Studie (vom Oktober 2020), sterben alleine in Deutschland jährlich 2400 Menschen, weil selbst die Reserve-Antibiotika bei ihnen nicht mehr wirken – also fast so viele (3000) Verkehrstote wie im Jahr 2019 in Deutschland.
Martin Häusling, Agrarpolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament, bringt es auf den Punkt: „Letztlich kaschieren die routinemäßige Gabe von Antibiotika an Tiere nur ungeeignete Haltungssysteme. Der Fall zeigt wieder einmal, wie dringend wir einen Systemwechsel in der Zucht und Haltung von Lebensmittel liefernden Tieren brauchen. Reserve-Antibiotika müssen den Menschen vorbehalten bleiben.“
Schweinepest. Vogelgrippe. Eine aktuelle Google-Suche bringt auch heute noch aktuelle Schlagzeilen zu beiden Begriffen. Im Januar 2020 wurde sogar ein weiterer Fall von Rinderwahnsinn in der Schweiz bekannt.
Stellt sich die Frage: Wie gesund ist eigentlich unser Fleisch, wenn nun sogar Waschbärenfleisch als neuer Geheimtipp gehandelt wird.
Allein in der vergangenen Jagdsaison wurden 200.000 der niedlichen Tiere erlegt und vermehrt auch auf deutschen Tellern serviert. Der Vorteil: Waschbärenfleisch ist weniger keimbelastet als das herkömmlicher Schlachttiere und frei von schädlichen Bakterien wie Salmonellen und Listerien.
Dieser neue beknackte Trend bestätigt einmal mehr, dass nicht das Fleisch an sich, sondern die massenhafte Tierhaltung das eigentliche Problem darstellt.
Für die ausreichende Versorgung der Menschheit mit gesunden, tierisch-hergestellten Nahrungsmitteln ist die Mast und Massentierhaltung weder nötig noch wirtschaftlich sinnvoll. Warum, erfahren wir im nächsten Abschnitt.

Mehr Marge dank weniger Fleisch
Als Vegetarier wird man von den Medien und dem persönlichen Umfeld immer wieder daran erinnert, dass auch für die vegetarische Ernährungsweise Tiere sterben müssen.
„Du ißt doch Butter [Camembert | Joghurt | Eier | Feigen | Parmesan | etc.] und trägst Lederschuhe. Siehst Du, auch dafür sterben Tiere.„
Moment mal: Feigen? Yup, für jede Feige muss mindestens eine Wespe sterben. Das Wespenweibchen dringt zum Bestäuben ins Innere der Feige ein, verliert dabei ihre Flügel und stirbt nach dem Bestäubungsvorgang. Pflanzenenzyme verdauen schließlich die Wespe vollständig, so dass der fiese Vegetarier nichts mehr davon mitbekommt.
Sandra hat uns vor einigen Jahren einen Feigenbaum in den Hof gestellt. Seit dem schickt sie Jahr für Jahr unzählige Wespen in den sicheren Feigentod.
Was die restlichen Dinge anbelangt, so sterben neuerdings „für vegetarischen Wurstaufschnitt mehr Tiere als für das ‚Original‘“, wie uns das Stern-Magazin vorrechnet – ausgerechnet für meine Lieblings-Veggie-Mortadella.
Meine geliebte Veggie-Wurst besteht zu 70 Prozent aus Eiklar. Um 100 Kilo davon zu produzieren, werden 2174 Eier benötigt, die von 6 Hennen innerhalb eines Jahres gelegt werden. Zählt man die nicht eierlegenden Küken hinzu, die ja auch irgendwie schlüpfen und sofort geschreddert werden, kommt der Stern sogar auf 12 Hühner.
Fazit: „Man braucht zwölf Hühner, um die gleiche Menge vegetarische Mortadella herzustellen, die aus einem Schwein fürs ‚Original‘ gewonnen wird.“
Rein rechnerisch betrachtet hat der Stern recht: 12 Hühner sind mehr Tiere als ein Schwein, wenn man Äpfel mit Birnen vergleicht. Daher die Gegenfrage: Wieviele Hühner werden benötigt, um 100 Kilo Geflügelfleisch herzustellen?
Hühner wiegen bei der Geburt 40 Gramm und werden in vier Wochen auf mehr als 2 Kilo gemästet. Dann sind sie schlachtreif. Ergo werden 50 Hühner für 100 Kilo Geflügelfleisch benötigt.
Der größte “Geflügel-Produzent“ in Deutschland ist die Firma Wiesenhof, die zur PHW-Gruppe gehört und die rund ein Drittel des deutschen Geflügelbedarfs „herstellt“.
Dort werden 4,5 Millionen Hühner pro Woche geschlachtet, oder anders ausgedrückt: 7 Hühner jede Sekunde (Sekunde!). Diese Masthähnchen verbringen ihr 4-wöchiges Leben in einer dunklen Mastanlage auf einer Fläche, die nicht größer als ein DIN-A5-Blatt ist.
Wie mästet, betäubt, schlachtet, rupft und verarbeitet man 7 Hühner pro Sekunde? Da muss es doch hocheffizient zugehen. Tut es auch. Nur so richtig profitiert niemand davon.
Dem Landwirt, dem Mäster also, bleiben pro Huhn keine 0,30 Cent an Profit. Den restlichen (kümmerlichen) Profit teilen sich Geflügelverarbeiter, Handel und Grillhähnchenbraterei.
Nun hat also Wiesenhof angekündigt, ebenfalls mit einer Fleischersatz-Produktlinie auf den Markt zu kommen. Die Preise sollen in etwa genauso hoch sein, wie die der Original-Fleischprodukte.
Wenn nun Mäster, Futtermittelproduzent und Tierarzt aus der Gleichung ganz rausfallen, gleichzeitig die aufwändigen wie kritischen Umstände in der Fleischverarbeitung entfallen, auf der anderen Seite die Preise genauso hoch oder in manchen Fällen sogar um 40 Prozent höher liegen … bedeutet dies: über kurz oder lang mehr Profit für alle, die weniger Fleisch herstellen, verarbeiten und verkaufen.
Im diesem Jahr erzielte der Hersteller der Veggie-Mortadella, Rügenwalder Mühle, zum ersten Mal mehr Umsatz mit Veggie-Produkten als mit herkömmlicher Wurst. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Rügenwalder Veggie-Produkte erst im Jahr 2014 eingeführt wurden.
„Unsere klassischen Produkte bilden unser Standbein – Veggie ist unser offensives Spielbein“, sagt Rügenwalder CEO Michael Hähnel. Im nächsten Jahr sollen weitere Gelder in zusätzliche Anlagen investiert werden.
Wiesenhof, Rügenwalder Mühle oder jüngst auch die Ankündigung von McDonald’s: Alle investieren in neue Sortimente an Fleischersatzprodukten. Der Markt nimmt an Fahrt auf, und er steht erst am Beginn.
Das scheinen Investoren inzwischen genauso zu sehen. Sie interessieren sich für Wachstumsmärkte und besonders für solche, aus denen irgendwann Volumenmärkte entstehen.
Ethan Brown, CEO von Beyond Meat, hat das erkannt und eine Reihe von hochkarätigen Investoren an Land gezogen, um mit seiner Firma einen beträchtlichen Anteil am jüngst entstehenden Markt für pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte zu sichern.
Die Leute sollen mehr von dem essen können, was sie lieben – und zwar ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Er zielt auf die Flexitarier ab. „Kunden zu gängeln ergibt keinen Sinn. Sie brauchen einfach nur bessere Optionen“, sagt Brown.

Und Brown möchte auch Gutes tun: für das Tierwohl, das Klima und die Gesundheit des Menschen.
Bruce Friedrich, Gründer des Good Food Institute, verbrachte als Aktivist Jahre damit, Menschen davon zu überzeugen, kein Fleisch mehr zu essen. Jetzt unterstützt er Unternehmen – auch Großproduzenten von tierischen Nahrungsmitteln – bei der Erschließung von schmackhaften Fleischersatzalternativen.
Dafür handelt sich Friedrich regelmässig Kritik von Tierschutzaktivisten, ja sogar von Veganern und Vegetariern ein. Er schert sich nicht darum.
„Wir müssen das Fleisch verändern, denn wir werden die menschliche Natur nicht verändern“, sagt der ehemalige Tierschutzaktivist, der mit Hilfe von Investorengeldern und privatwirtschaftlichen Initiativen für Forschung und Entwicklung den Fleischmarkt aufmischen will.
Sein Ansatz – Kapitalismus statt Aktivismus – könnte funktionieren.
Viehzucht und die Auswirkungen auf das Klima
Seit Jahren versucht die Fleischindustrie durch immer perfidere Methoden und Techniken die Produktivität bei der Herstellung von tierischen Nahrungsmittel zu steigern. Ein Ergebnis davon ist die Mast und Massentierhaltung, wie wir sie heute kennen.
Viele Menschen wissen nicht, was da genau vor sich geht – oder wollen es erst gar nicht wissen. Und viele Menschen leugnen sogar den klimaschädlichen Einfluß, der durch Nutztierhaltung und die Produktion tierischer Nahrungsmittel insbesondere durch die Massentierhaltung entsteht.
„Die 5 größten Fleisch- und Molkereikonzerne schaden unserem Klima mehr als die größten Ölkonzerne“ titelte vor 2 Jahren der Spiegel und zitierte aus einer Studie des Institute for Agriculture and Trade Policy, wonach die Viehzucht bis zum Jahr 2050 bis zu 80 Prozent des weltweiten Treibhausgasbudgets verbrauchen wird.
Gemessen an den global zur Verfügung stehenden Agrarflächen werden 80 Prozent für die Viehzucht und den Futteranbau genutzt. Dabei machen tierische Nahrungsmittel nicht einmal 20 Prozent der weltweiten Nahrungsenergieversorgung aus.
Einem Spiegel-Bericht zufolge haben japanischen Forscher ausgerechnet, dass die Herstellung von einem Kilo Rindfleisch einem Äquivalent von 36 Kilo an Treibhausgasen entspricht, das von der Geburt bis zur Schlachtung der Tiere emittiert wird.
Sollte das stimmen, entspräche dies in etwa derselben Menge an CO2, die auf einer Autofahrt von Frankfurt nach Stuttgart ausgestoßen wird. 10 Kilo Rindfleisch machen dann bereits einen Hin- und Rückflug von Frankfurt nach London aus – berechnet mir der CO2-Flug-Simulator von atmosfair.
Bei Treibhausgas-Emissionen ist immer von Tonnen die Rede, und davon, wieviel wir pro Jahr wodurch verbrauchen und einsparen können und müssen, um die Erderwärmung durch den Ausstoß von Treibhausgasen gemäß dem Pariser Klimaschutzabkommen auf deutlich unter 2 Grad zu senken.
Das Problem: solange wir die CO2-Berechnungen nicht verstehen – oder besser gesagt – nicht richtig einordnen können, werden wir unser (Konsum–) Verhalten nicht ernsthaft ändern.
Also habe ich mir eine einfache Eselsbrücke gebaut, um mein Verbraucherverhalten besser kontrollieren zu können. Sie geht so: CO2-Emissionen haben ein Gewicht. Ein (extrem) sparsames Benzinauto emittiert etwa 100 Gramm pro gefahrenem Kilometer.
100 Gramm – so viel wie eine normale Tafel Milka-Schokolade wiegt. Wenn ich also statt mit dem Auto mit dem Fahrrad (und wieder zurück) die 7 Kilometer bis zum Bio-Bauernhof zurücklege, habe ich 14 Tafeln CO2-Schokolade eingespart – 1,4 Kilogramm.
Fahre ich jede Woche ein Mal mit dem Fahrrad zum Bio-Bauernhof, werde ich am Ende des Jahres so viel an CO2-Ausstoß eingespart haben, wie laut Berechnung der japanischen Forscher die Herstellung von 2 Kilo Rindfleisch verursacht.

Wenn ich andererseits auf ein einziges Steak pro Woche verzichte, werde ich binnen eines Jahres die Menge an Treibhausgasen eingespart haben, die durch die Produktion von 12 Kilo Rindfleisch – oder ein Hin- und Rückflug nach London – verursacht wird.
Die gute Nachricht ist: dank Produkte wie Beyond Meat fühlt sich der Verzicht auf Fleisch noch nicht einmal als solcher an.
Wenn in absehbarer Zeit, vielleicht schon bis 2030, die Hälfte der Deutschen ihren Fleischkonsum dank Fleischalternativen und -ersatzprodukte einfach nur etwas reduziert und häufiger mal auf Bio-Lebensmittel zurückgreift, wird nicht nur die Mast und Massentierhaltung passé, sondern auch ein wirksamer Beitrag zum Klimawandel geleistet sein.
Das liegt jetzt also ganz in der Macht der Flexitarier.