Männerspaghetti
Spaghetti – kein anderes Nahrungsmittel ist von so vielen Mythen und Irrtümern umgeben, dass es selbst fast etwas Mystisches hat. Du wirst erstaunt sein, was man so alles über Spaghetti lernen kann.
Spaghetti – die bei weitem beliebteste Nudelform. Sie kommen in fast allen Gegenden der Welt regelmässig auf den Tisch und sind bei Jung und Alt gleichermassen beliebt.

Spaghetti – kein anderes Gericht hat so viele Auftritte in Film und Fernsehen. Und kein anderes Essen ist so oft mit Hollywood-Giganten fotografiert worden, dass man fast meinen könnte, dass nur der auf Zelluloid festgehaltene Spaghetti-Moment den Ruhm des Stars endgültig zementiert.
Spaghetti – kein anderes Nahrungsmittel ist von so vielen Mythen und Irrtümern umgeben, dass es selbst fast etwas Mystisches hat.
Wie kaum ein anderes Gericht lassen sich Spaghetti so vielfältig zubereiten und fast jede Region hat auch ihren Spaghetti-Favoriten. Aber nur ein Spaghetti-Gericht schmeckt allen Menschen doch noch am besten: das nach persönlichem Geschmack kompromisslos selbst zubereitete.
Wer nicht gerade im Single-Haushalt lebt, weiß genau, wovon ich rede. Meine „Spaghetti senza compromessi“ bekomme ich nur ein oder zwei Mal im Jahr – immer dann, wenn ich für mehrere Tage wirklich alleine bin oder nicht für andere (vor-) kochen brauche.

Doch die Realität in den meisten Mehrpersonenhaushalten ist: Alle zulässigen Spaghetti-Gerichte werden im Voraus ausgehandelt und in einer Art ungeschriebenem „Gegenseitigen Spaghetti-Zubereitungsvertrag“ verbindlich vereinbart. Zuwiderhandlungen werden mit Liebesentzug bestraft.
Sandra zum Beispiel ist kein so großer Spaghetti-Fan. Wenn wir Spaghetti kochen, muss wenigstens und immer (viel) Gemüse dabei sein. Zumindest konnte ich sie von Vollkornspaghetti abbringen. Spaghettiessen bedeutet daher für uns beide: ein stets willkommenes Kompromissessen – schnell zubereitet, sättigend und meistens sehr lecker.
In unserem Freundes- und Bekanntenkreis hingegen sieht es düster aus – für die Männer: die Frauen haben sich fast überall durchgesetzt. Dort werden ausschließlich Vollkorn- oder Dinkel-Spaghetti gekocht und mit Zutaten wie Quinoa, Pastinaken und Wirsing gekreuzigt – das geschieht natürlich alles unter dem Deckmantel einer gesunden Ernährung für Geist und Körper.
Und wer denkt an die Seele?
Spaghetti senza compromessi sind für mich daher sowas wie Seelenspaghetti, oder einfacher ausgedrückt: Männerspaghetti. Kompromisslos nach individuellen Vorlieben, von Männern für sich selbst überlassene Männer zubereitet, verschworen und nicht selten im Verborgenen genossen.
Mein spezielles Männerspaghetti-Rezept stelle ich euch am Ende dieses Beitrags vor. Es wäre genau das Spaghettigericht, das ich mir als Henkersmahlzeit wünschen würde. Und ich wäre bereits vor meiner offiziellen Hinrichtung tödlich beleidigt, es nicht genau nach diesem Rezept kredenzt zu bekommen.
Leben ohne Bewährung – schlimmer als der Tod
Es gibt eine bizarre Geschichte, die ich gerne erzähle, um die Bedeutung von Männerspaghetti zu unterstreichen.
Thomas J. Grasso war ein 32-jähriger Amerikaner, der am Weihnachtsabend 1990 eine 87-jährige Frau mit der Lichterkette ihres Weihnachtsbaums stranguliert hatte. Nur sechs Monate später tötete er einen 81-jährigen Mann, um einen Renten-Scheck zu erbeuten.
Grasso wurde 1992 in New York zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Eine lebenslängliche Haftstrafe ohne Aussicht auf Bewährung erschien Grasso schlimmer als der Tod, so wollte er sein Strafmaß in eine Todesstrafe umgewandelt haben, was durch eine – technisch fingierte – Auslieferung nach Oklahoma ermöglicht wurde.
Als „Letztes Mahl“ wünschte er sich: zwei Dutzend gedünstete Muscheln, zwei Dutzend gedünstete Venusmuscheln (gewürzt mit Zitrone), einen doppelten Cheeseburger von Burger King, ein halbes Dutzend gegrillte Spare Ribs, zwei Erdbeer-Milchshakes, einen halben Kürbiskuchen mit Schlagsahne, sowie eine paar geschnippelte Erdbeeren und schließlich: eine Dose SpaghettiOs mit Fleischklößchen in Tomatensoße – serviert in Zimmertemparatur.
Einmal abgesehen von dieser beispiellos ekelhaften Menü-Auswahl: SpaghettiOs – kein Witz. Auch noch in Zimmertemperatur serviert! Das also waren Grasso’s Männerspaghetti.

SpaghettiOs sind kleine, zu einem „O“ geformte Spaghettinudeln, die von Campbell’s in verschiedenen Zubereitungen vor allem an Eltern kleiner Kinder vermarktet werden, weil sie mit Löffeln gegessen werden und Kinder auf die Art und Weise weniger Chaos und Flecken verursachen – so das Kalkül.
Die Stunden vor seiner Hinrichtung im März 1995 durch eine Giftspritze verbrachte Grasso logischerweise vor allem damit, seine Henkersmahlzeit einzunehmen – und einige leichtgewichtige Denkanstöße und Gedichte als Statements an die Presse zu geben.
So zum Beispiel sein erstes: „Was wir den Anfang nennen, ist oft das Ende, und ein Ende zu machen, bedeutet, einen Anfang zu machen. Das Ende ist dort, wo wir beginnen.“
Nichts Weltbewegendes.
Bemerkenswert jedoch war sein viertes und letztes Statement, das er noch zu Lebzeiten, rund eine Stunde vor seiner Hinrichtung, an die Medien weitergeben ließ. Es bestand aus diesem einzigen Satz:
„Ich habe nicht meine SpaghettiOs bekommen, sondern Spaghetti“.
Keine Spur von Reue. Kein Bitten um Verzeihung. Kein Wort an Gott, die Opferfamilien oder seine eigenen Hinterbliebenen.
Ihm war scheinbar nur wichtig, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass er kurz vor seiner Hinrichtung noch nicht einmal seine Lieblingsspaghetti bekam. So nach dem Motto: „Liebes Universum, wir sind jetzt quit – meine Schuld ist gesühnt.“
Nach seiner Hinrichtung verteilten Justizbeamte Kopien eines allerletzten, eilig hingekritzelten letzten Statements von Grasso, in dem er – unter anderem – (aber immerhin) erwähnte: „Ich gebe mein Leben hin, weil es der wertvollste Akt der Reue ist, den ich leisten kann.“
In diesem Statement gab er auch zu, dass es für einen Doppelmörder ein Akt der Gnade war, sterben zu dürfen, denn er befreite ihn von der unerbittlichen Gefangenschaft, die er mehr fürchtete als den Tod.
Ein Gedanke, der vielen Befürwortern der Todesstrafe zum damaligen Zeitpunkt in den USA nicht gefallen haben dürfte – begannen doch einige Bundesstaaten die Todesstrafe wieder einzuführen.
Sein letztes Statement jedenfalls fand in der Öffentlichkeit keine große Verbreitung. Was also ist vom Fall Thomas J. Grasso übrig geblieben: Er hat seine SpaghettiO nicht bekommen. Zumindest diese wichtige Feststellung hat es in seinen Wikipedia-Eintrag geschafft.
Spaghetti Diät
Mein Rezept für Männerspaghetti hat inzwischen 2 Iterationen erfahren. Aktuell bin ich bei Version 3 – das Rezept, das ich euch am Ende vorstelle.
Version 1 „Rindfleisch-Spaghetti“ entwickelte sich aus einem Rezept meiner Mutter. Sie adaptierte dafür ein klassisches griechisches Gericht, das die Griechen „Giouvetsi“ nennen.
Für Giouvetsi werden Fleischstücke in Tomatensauce geschmort. Anschließend wird das Schmorfleisch mit Reisnudeln im Ofen gebacken. Griechen verwenden dafür normalerweise Kalb- oder Lammfleisch.
Das Rezept meiner Mutter verwendete Rindfleisch, das sie extra lange schmoren ließ. Zum Schluß brauchte sie einfach nur die Spaghetti in die Tomatensauce mit dem geschmorten Rindfleisch dazuzugeben und fertig war das leckere Spaghetti-Gericht – das Backen im Ofen war nicht erforderlich.
Rindfleisch-Spaghetti waren während meiner gesamten Jugendzeit und noch einige Jahre danach meine Männerspaghetti. Das änderte sich, als ich in meinen Zwanzigern wegzog und fortan selbst kochen musste.
Was mich zu Männerspaghetti Version 2 brachte: „Fake Spaghetti-Carbonara“ – da ich Speck oder Ähnliches nie sonderlich mochte, ließ ich ihn zunächst ganz weg und ersetzte ihn später hin und wieder durch gebratene Champignons.
Wenn abzusehen war, dass ich es schaffe, eine Schachtel mit 6 Eiern in den nächsten Tagen vollständig aufzubrauchen, verwendete ich – wie im Original-Rezept – Eier für die Carbonara-Zubereitung, ansonsten Schlagsahne.
Auch lecker!

Version 2 hielt leider nicht lange. Ich lernte Sandra kennen – wie gesagt: kein großartiger Spaghetti-Fan und – zu meinem Leid (und irgendwie auch Glück) – ein Apostel gesunder Ernährungsweise.
Wir zogen bald zusammen und die seltenen Gelegenheiten, in denen ich mir meine Männerspaghetti hätte kochen können, boten keine ausreichenden Zeitfenster, um die Spuren zu verwischen.
Die einzige Möglichkeit, Version 2 über einen längeren Zeitraum laufen zu lassen, hätte darin bestanden, ihr nachzuweisen, dass ich unter medizinischer Aufsicht an einer von der WHO geförderten Studie über die Langzeitwirkung gelegentlicher Fehlernährung bei Erwachsenen teilnehme.
Konnte ich nicht.
Version 3 meiner Männerspaghetti-Zubereitung „Spaghetti al pomodoro parmigiano e balsamico (e ancora più parmigiano)“ – entwickelte ich aus einem launischen, grenzwertigen Experiment, das ich – aus mir heute nicht mehr ganz nachvollziehbaren Gründen und gegen heftigsten Widerstand von Sandra – am eigenen Leib ausprobieren wollte.
Es ging darum herauszufinden, wie viel Kilo ich abnehmen könnte, wenn ich alle mir bis dahin bekannten Diätregeln über einen Zeitraum von 3 Monaten strikt einhalten würde.
Nun wog ich damals 70 Kilo, nicht gerade übergewichtig für einen Mann in seinen Dreißigern. Und über Diäten wusste ich eigentlich nur: Viel Sport treiben, kein Alkohol trinken, keine Kohlenhydrate nach 18:00 Uhr.
Letzteres hatte die Schauspielerin Christine Kaufmann mal in einer Talkshow gesagt – sie sah dabei sehr glaubwürdig aus. Also übernahm ich den Tipp und stellte in den kommenden Wochen meine Ernährung dergestalt um, dass ich meine Hauptmahlzeit in der Mittagspause einnahm.
Da es schnell gehen musste und die Kantine nicht in Frage kam, ging ich meistens zum Italiener und bestellte mir Beilagensalat und einfache Spaghetti Napoli (Spaghetti mit Tomatensoße), einmal die Woche gab’s Pizza Margherita. Von diesen beiden Gerichten konnte ich die Kalorienzahl einigermaßen sicher bestimmen.
Beim Beilagensalat konnte ich mich nie so richtig entscheiden zwischen Essig-Öl- und Joghurt-Dressing. Bis ich auf die Idee kam, etwas Balsamico unter das Joghurt-Dressing zu mischen – so hatte ich das Beste aus beiden Welten.
Die Kellnerin – eine Griechin – stellte mir fortan die Flasche Balsamico unaufgefordert auf den Tisch. Und wo Balsamico in rauen Mengen zur Verfügung steht, ist der Missbrauch nicht weit.
Erst gab ich nur ein Schuss Balsamico über die Spaghetti, später ertrank ich sie darin – mein verzweifelter Versuch, der Speise etwas mehr Umami abzugewinnen.
Das entging auch der Kellnerin nicht, genauso wenig, wie ich mit der Zeit immer mehr abnahm, bis nach einiger Zeit bereits meine Wangenknochen unvorteilhaft zum Vorschein kamen.
In den Monaten meines Experiments hatte ich 14 Kilo verloren. Freunde, Bekannte und Kollegen machten sich Sorgen. Mein Chef bat mich um ein vertrauliches Gespräch. Und Sandra warf mir vor, unverantwortlich mit meiner Gesundheit umzugehen.
Wie gesagt: es handelte sich „nur“ um ein Experiment, dass nach 3 Monaten sein Ende finden sollte. Der letzte Tag des Experiments fiel zufälligerweise auf den letzten Arbeitstag der griechischen Kellnerin.
Bei der Verabschiedung gestand sie mir, dass sie das Spaghetti-Balsamico-Rezept insgeheim auch eine Zeit lang ausprobiert hatte, weil sie ebenfalls abnehmen wollte. Bei ihr aber wirkte das nicht.
Ich verstand sofort, dass sie der Koinzidenz meines Gewichtsverlusts mit dem übermässigen Konsum von Spaghetti und Balsamico auf dem Leim ging und sie daraus einen eigenen Mythos kreiert hatte.
Meine Gewichtsabnahme war zum größten Teil auf den Sport und den Verzicht auf Alkohol zurückzuführen. Die Geschichte mit den „keine Kohlenhydrate nach 18:00 Uhr“ half lediglich bei der Erbsenzählerei in Bezug auf die Kalorienzufuhr, ansonsten scheint mir das völliger Quatsch zu sein.
Mir aber gefiel der Gedanke, an der Entstehung eines Spaghetti-Mythos beteiligt gewesen zu sein. So verschwieg ich ihr die Wahrheit und ermunterte sie, es noch einmal auszuprobieren – aber mindestens 5 Mal die Woche Spaghetti mit Tomaten-/Balsamico-Sosse zu essen. Dann klappt es bestimmt.
Seit dem habe ich sie nie weder gesehen. Ich hoffe, sie ist wohlauf.
Spag Tree – Spaghetti zum Selberpflücken
Überhaupt scheinen Menschen in Bezug auf Nudeln – und Spaghetti im Besonderen – immer wieder Mythen zu erlegen.
Wenn man bedenkt, wie lange die Menschheit bereits Teigwaren kennt, so ist es umso erstaunlicher, dass erwachsene Menschen auch noch Mitte des 20. Jahrhunderts auf Fake-News über die Herstellung von Spaghetti reinfallen.
So geschehen in Großbritannien – ausgerechnet bei einem Volk, das bis dahin eigentlich ganz gut in der Welt rumgekommen war und mit „Spag Bol“ ein eigenes Akronym für Spaghetti Bolognese kultiviert hat.
Am 1. April 1957 sendete die BBC im Anschluß an eine Nachrichtensendung einen dreiminütigen Beitrag über Spaghetti-Bauern im Schweizer Tessin, die sich in jenem Jahr besonders über die frühe Blüte und Ankunft der Bienen freuen durften.
Denn besonders dramatisch für die Spaghetti-Ernte, hieß es im Beitrag, wären die letzten beiden März-Wochen, die noch Frost bringen können und deshalb sehr von den Bauern gefürchtet werden.
Und wenn der Frost nicht die gesamte Spaghetti-Ernte ruiniert, so leidet doch die Nudelqualität und in Folge die Preise an den Märkten der Weltbörsen.
Gespickt mit solchen und ähnlich absurden Details über die Spaghetti-Ernte folgen schöne Bilder von glücklichen Spaghetti-Farmern an der schweiz-italienischen Grenze, die in behutsamer Handarbeit die Spaghetti von den Bäumen pflücken.
Viele Menschen glaubten dem Bericht und riefen bei der BBC an, um zu fragen, wie sie ihren eigenen Spaghetti-Baum züchten könnten. Die Antwort: „Legen Sie einen Spaghettizweig in eine Dose Tomatensoße und hoffen Sie auf das Beste“.
Spa Day – Mit Spaghetti zur Traumfigur
„Lieber einen zusätzlichen Teller Spaghetti als einen halben Zentimeter weniger Taille.“
– Luciana Littizzetto, italienische Komödiantin und Schauspielerin
Nudeln machen nicht fett und es ist längst erwiesen, dass sie übergewichtigen Menschen bei der Gewichtsabnahme helfen können. Das liegt daran, dass Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index langsamer verdaut werden und dadurch länger satt halten bzw. ausreichend Energie spenden.
Diese Eigenschaft machen sich auch Tour de France-Fahrer zunutze: Während einer normalen Etappe verbrauchen sie bis zu 6000 Kcal – bei Bergetappen fast das Doppelte.
Kein Wunder stehen Nudeln morgens vor dem Rennen und abends auf ihren Ernährungsplan. Dass Spaghetti dann auch während der Fahrt verspeist werden, dürfte die Ausnahme bleiben.

Dass Spaghetti auch zur Traumfigur verhelfen, ist ein weiterer Mythos. Der italienischen Film-Diva Sophia Loren wird das Zitat zugeschrieben:
„Alles, was Sie sehen, verdanke ich Spaghetti“.
Man liest es überall und zweifelt nicht im Geringsten daran, dass sie es nicht gesagt haben könnte.
Sophia Loren: Sex-Symbol, Weltstar, bis heute die berühmteste Frau Italiens. Mit 72 Jahren posierte sie noch im Negligé für den Pirelli-Kalender. Und ihre Kurven verdankt sie Spaghetti – nicht Pasta, ausdrücklich: Spaghetti.
Als ich einmal recherchierte, in welchem Kontext sie das Spaghetti-Zitat gesagt haben soll, interessierte mich insbesondere der genaue Wortlaut der Frage.
Das einzige, das ich diesbezüglich gefunden habe, sagte sie in einem Interview mit der New York Times – sie wurde direkt darauf angesprochen. Ihre Antwort:
„Non è vero! Das ist nicht wahr! So ein Unsinn: … habe ich Spaghetti zu verdanken …. nein, nein. Völlig erfunden.“
Ich meine: Von wem stammt das Zitat, wenn nicht von ihr? So etwas erfindet man nicht einfach so.
Aber auch ohne Sophia Loren: Spaghetti haben in unseren Leben so viel an Bedeutung gewonnen, das wir ihnen weltweit sogar einen eigenen Gedenktag widmen: Spaghetti Day ist der 4. Januar.
Zum Vergleich: Den Tag der Schlagsahne feiern wir erst einen Tag später, am 5. Januar.
Spaghetti Day zelebriert man im Allgemeinen damit, in dem man sich eine Portion Spaghetti zubereitet. Auf Social Media wird der Hashtag #SpaghettiDay als Referenz verwendet.
„Die Italiener haben nur zwei Dinge im Kopf: Das andere sind Spaghetti.“
– Catherine Deneuve, französische Schauspielerin
Der Code von Spaghetti
In einem anderen Artikel schrieb ich über den Marketing Experten und Sozialpsychologen Dr. Clotaire Rapaille, der von einem US-Konzern beauftragt wurde, den Code für Kaffee in Amerika zu entschlüsseln.
Dazu muss man wissen, dass Rapaille von traditioneller Marktforschung nichts hält. Für ihn erklärt sie nicht die wahren Gründe, warum sich Konsumenten für bestimmte Produkte entscheiden.
Entscheidungen werden angeblich aus einem kollektiven Unterbewusstsein heraus getroffen, das sich in frühen Jahren bildet und in einem der ältesten Bereiche unseres Gehirns verdrahtet ist, den wir mit Reptilien teilen.
„Reptillian Hot Button“ – so nennt Rapaille den Knopf, den man drücken muss, um das einzig wahre und wirksamste Kaufmotiv für eine Sache bei uns Konsumenten zu stimulieren.
Für besagten US-Konzern zum Beispiel fand Rapaille heraus, dass der Code für Kaffee in Amerika nicht etwa der Geschmack oder irgendwelche Lifestyle-Aspekte darstellt, sondern schlicht das Aroma.
Das hängt damit zusammen, dass die meisten jungen Menschen das Aroma von Kaffee mit ihrer Kindheit zu Hause verbinden: Die Mutter bereitet das Frühstück, Kaffe-Duft liegt in der Luft. Zuhause ist dort, wo wir geliebt werden und sicher sind. Und wo wir sicher sind und geliebt werden, duftet es nach Kaffee.
Prompt wurde die Werbung für die Kaffe-Marke des Konzerns auf das Aroma abgestellt und siehe da, die Marke wurde zum Erfolg.
Wenn es einen Code für Kaffee gibt, muss es auch einen für Spaghetti geben. Vielleicht auch mehrere, je nach Kulturkreis.
Wie ich darauf komme? Ich brauche mir nur all die Filme in Erinnerung zu rufen, in denen prominente Spaghetti-Szenen vorkommen.
Der Code von Spaghetti, die subtile Botschaft, die der jeweilige Filmemacher mit der Spaghetti-Szene transportieren will, kann variieren. Manchmal erschließt sie sich sofort, und manchmal erst im Nachhinein – in der Retrospektive.
Eat, Pray, Love
Nehmen wir beispielsweise diese prominente Spaghetti-Szene aus „Eat, Pray, Love“. Julia Roberts sitzt an einem Restauranttisch in Rom, Italien, während sie auf ihr bestelltes Essen wartet.
Kurz beobachtet sie dabei ein junges Paar, das sich gegenüber auf der öffentlichen Straße innig küsst, während er mit seiner Hand unter ihr Negligé schlüpft und zärtlich ihren Bauch streichelt.
Dann kommt auch schon der Kellner und serviert ihr das Essen: Spaghetti al Pomodoro. Sie schaut kurz auf ihren Teller als ihr die Eingebung kommt, eine gewisse Erotik durch den latent lasziven Verzehr ihrer Spaghetti nachzustellen.
Untermalt von Mozart’s Arie der Königin der Nacht aus der Zauberflöte, gipfelt die Szene schließlich in einen von Parmesan-bestreuten Höhepunkt – Oralverkehr mit Spaghetti.
Für mich erschließt sich die Spaghetti-Szene nicht ganz. Entweder liegt es an der unglaubwürdigen Darstellung von Julia Roberts oder einfach nur daran, dass ich mit „Spaghetti“ andere Konnotationen verbinde, die nichts mit Erotik gemein haben.
Das Appartement (The Apartment)
Die berühmte Spaghetti-Szene aus dem Film „Das Appartement“ mit Jack Lemmon und Shirley MacLaine entspricht da schon eher meiner Konnotation – meinem Code – von Spaghetti: der familiären Intimität, Fürsorge, Geborgenheit.
Jack Lemmon spielt im Film den jungen Angestellten „Bud“, der seine Junggesellen-Wohnung in Manhattan von Mal zu Mal einigen leitenden Angestellten seiner Firma überlässt, die dort ihre geheimen Liebesaffären ausleben. Im Gegenzug erhofft er sich, die Karriere-Leiter schneller zu erklimmen.
Eines Tages trifft sich dort der Personalchef der Firma mit der Fahrstuhlführerin „Fran“, gespielt von der supersüßen Shirley MacLaine. Ausgerechnet in die hat sich auch Bud verguckt.
Als Bud in seine Wohnung zurückkehrt, entdeckt er eine vergessene Puderdose mit zerbrochenen Spiegel und händigt sie am nächsten Tag dem Personalleiter aus.
Auf der Weihnachtsfeier erfährt Fran von einer Sekretärin, dass sie der Personalleiter nur ausnutzt, genauso wie andere weibliche Angestellte, und niemals die Absicht hat, seine Frau zu verlassen.
Gleichzeitig erkennt Bud auf der Weihnachtsfeier die Puderdose mit dem zerbrochenen Spiegel bei Fran wieder, wodurch ihm klar wird, dass Fran eine Affäre mit dem Personalleiter hat.
Es kommt, wie es kommen muss: Bud ertränkt seinen Kummer in Alkohol, Fran geht ins Appartement zurück und versucht, sich mit Schlaftabletten das Leben zu nehmen.
Als Bud in sein Appartement zurückkommt, findet er Fran ohnmächtig in seinem Bett vor. Er ruft sofort seinen Nachbarn, einen Arzt, zur Hilfe. Um sowohl seinen als auch ihren Job zu schützen, lässt er den Arzt glauben, dass sie nach einem Streit „unter Liebenden“ mit ihm versehentlich zu viele Pillen geschluckt hat.
Zur Erholung verbringt Fran ganze zwei Tage in Bud’s Appartement, während Bud sein Bestes tut, um sie zu unterhalten und von Selbstmordgedanken abzulenken. Unter anderem kocht er Spaghetti für sie – nutzt dabei einen Tennisschläger als Nudelsieb – während er beschwingt dazu singt.
Sie – im Bademantel und schon sichtlich erholt – steckt ihren Kopf in die Küche und fragt: „Are we dressing for dinner?“ Daraufhin Er: „No, just come as you are.“
Ich bin mir sicher: es gibt keinen Ort der Welt, an dem die beiden jetzt lieber wären.
Der Pate (The Godfather)
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch die Spaghetti-Szene vom Paten ein – genau genommen handelt es sich um die Spaghetti-Soße, der Francis Ford Coppola in einem der besten Filme aller Zeiten fast eine ganze Minute widmet.
Die Szene zeigt „Clemenza“ beim Kochen. Als „Michael Corleone“ die Szenerie betritt, nimmt ihn Clemenza zur Seite und erklärt ihm, dass er lernen muss, für die Männer eine gescheite Spaghetti-Soße zuzubereiten. Das könnte eines Tages wichtig werden.
Clemenza zählt die Zutaten auf und erläutert kurz das Rezept, Michael schaut ihm unbeteiligt dabei zu.
Warum ist die Szene wichtig? Francis Ford Coppola, der Regisseur des Films, behauptete einmal, er habe das Rezept in das Drehbuch aufgenommen, denn wenn der Film floppte, würde man zumindest lernen, wie man eine gescheite Spaghetti-Soße macht.
Das ist natürlich völliger Quatsch. Niemand – und schon gar nicht Francis Ford Coppola – entwickelt so eine Szene, um bloß einen Rezeptvorschlag zu unterbreiten.
Nein, die Szene transportiert auch hier eine codierte Botschaft: Obwohl sie gefährliche Mafiosi sind, vermittelt die Szene eine andere wichtige Seite der Mafia-Familie: nämlich die der Fürsorglichen, die sich um ihre nahestehenden Menschen kümmern.
Sie tun dies unter anderem durch das gemeinsame traditionelle Essen, das sie mit Sorgfalt und nach alten Rezepten aus ihrer italo-amerikanischen Heimat zubereiten.
Eine verhängnisvolle Affäre (Fatal Attraction)
Eine Film-Szene, die sich ebenfalls die Konnotation der familiären Intimität zu Nutze macht, die der Code von Spaghetti vermittelt, ist die Dinner-Szene im Film „Eine verhängnisvolle Affäre“ (Fatal Attraction) mit Michael Douglas und Glenn Close in den Hauptrollen.
Michael Douglas spielt „Dan“, einen erfolgreichen Anwalt, glücklich verheiratet. Er macht Bekanntschaft mit der unverheirateten Verlagslektorin „Alex“, fantastisch gespielt von Glenn Close.
Als Dan’s Familie für ein Wochenende die Stadt verlässt, schläft Dan mit Alex. Bis hierhin ist es die Geschichte vom Seitensprung eines untreuen Ehemannes. Niemand machte bislang Hoffnungen oder schürte falsche Erwartungen.
Wenn man den Ausgang den Films kennt, läuft einem bei dieser Szene der Schauder über den Rücken. Denn das ist die (Schlüssel-) Szene, die das Motiv für die weitere Entwicklung der Geschichte liefert – die aus seinem Liebesdrama einen Horror-Streifen macht.
Die beiden bereiten sich auf ein gemütliches Dinner in Alex’ Wohnung vor. Es gibt Spaghetti – „Spezialität des Hauses“, sagt sie. Und dass er sich wie zu Hause fühlen soll.
„Es riecht so gut“, sagt er. Und dass es prima zur Oper passt, die gerade im Hintergrund läuft: Puccini’s Madame Butterfly – überraschenderweise die Lieblingsoper von beiden, wie sich herausstellt.
Es war seine erste Oper: Sein Vater nahm ihn mit zur Met, da war er gerade einmal 5 Jahre alt. Sie fragt, ob er was verstanden hat. Er erwidert, dass er das meiste mitbekommen hat. Besonders erinnert er sich an den letzten Akt. Sein Vater flüsterte ihm ins Ohr: „Oh Gott, sie wird sich umbringen.“
Er hatte schreckliche Angst bekommen und verkroch sich unterm Stuhl. Schließlich resümiert er, dass dies das einzige Mal in seinem Leben war, als ihn sein Vater tröstete – bei Madame Butterfly.
Damit kreiert Dan aus Madame Butterfly vor allem eine persönliche Opfererzählung. Und offenbart einen Mann, der nicht in der Lage ist, in Butterfly das tödlich endende Schicksal einer betrogenen Frau zu sehen, die er – in übertragenen Sinne – gerade selbst betrügt.
Erst betrügt er seine Frau indem er mit Alex schläft, und dann auch Alex, der er das Gefühl einer familiären Intimität gewährt, ohne einen Zweifel daran aufkommen zu lassen, wohin er gehört und dass sie außerhalb davon steht – seine Familie.
Eine The-winner-takes-it-all-Mentialität, die sich später noch bitter an ihn rächen wird. Für Alex steht jetzt fest, dass sie das Schicksal von Madame Butterfly nicht teilen will. Sie wird bis zum Äußersten um ihr Glück kämpfen – die Geschichte nimmt ihren fatalen Lauf.
Ich bezweifle, dass diese Szene mit einem anderen Dinner-Essen als Spaghetti funktioniert hätte – mit Sushi schon gar nicht.
Spaghetti al pomodoro parmigiano e balsamico (e ancora più parmigiano)
Das Grundrezept für meine Männerspaghetti stammt aus der Zeit meines Experiments mit der Spaghetti-Diät und basiert auf dem Rezept für Spaghetti Napoli, mit dem Unterschied, dass es gänzlich ohne frische Zutaten auskommt (ist doch klar) und kein Koch- und sonstiges Geschirr benötigt, dass nicht spülmaschinentauglich ist.

Für eine Portion werden folgende Zutaten benötigt:
– 125 Gramm Spaghetti (die Hälfte der Hälfte einer 500 Gramm-Packung)
– 200 Gramm bzw. eine halbe Dose Tomaten (-Fruchtfleisch oder in kleine Stücke gehackt)
– 25 Gramm Parmesan (gerieben)
– 1 Esslöffel Olivenöl
– 1 Esslöffel Aceto Balsamico
– 1 Teelöffel getrockneter Oregano
Die Zubereitung geht schnell und ist super einfach.
Und so geht’s:
1. Spaghetti kochen
(Da es lächerlich ist, 125 Gramm Spaghetti zu kochen, nimmt man einfach die halbe Packung – 250 Gramm – und bewahrt den Rest der Spaghetti im Kühlschrank auf. So kann man am nächsten Tag beispielsweise die Nudeln in der Pfanne mit etwas Öl und Knoblauch auf die Schnelle anbraten).
Einen großen Topf mit 2,5 Liter Wasser auf den Herd stellen und das Wasser zum Kochen bringen. Sobald das Wasser kocht, salzen und die Spaghetti hineingeben. Nach einer halben Minute umrühren bis alle Spaghetti mit Wasser bedeckt sind.
Ab da an zählen die Minuten, bis die Nudeln bissfest – al dente – fertiggekocht sind. Alle 2 Minuten kurz umrühren.
2. Soße zubereiten
In einem kleineren Topf die halbe Dose mit dem Tomatenfruchtfleisch geben und erhitzen. Gleich danach die Hälfte des geriebenen Parmesans dazugeben. Gut umrühren.
Kurz bevor die Tomatensoße leicht zu köcheln beginnt, 1 Esslöffel Olivenöl und ein Teelöffel Oregano dazugeben. Gut umrühren.
Nun die Temperatur etwas runternehmen, aber weiter heiß halten, bis die Spaghetti fertig gekocht sind.
3. Spaghetti mit Soße verrühren
Sobald die Spaghetti „al dente“ gegart sind, das Wasser aus dem Topf abgießen. Dazu einfach den Deckel drauf und einen Spalt geöffnet lassen – das Wasser braucht nicht restlos abgegossen zu sein.
Anschließend eine Portion Spaghetti in den kleinen Topf mit der Soße geben und gut vermischen.
4. Spaghetti servieren
Die Spaghetti vom Topf auf den Teller geben und den restlichen Parmesan langsam drüberstreuen. Zum Schluß wird etwa ein Esslöffel Aceto Balsamico über die Spaghetti mit den Parmesanspänen gegeben, nach Belieben gepfeffert und das Gericht zum sofortigen Verzehr serviert.

5. Spaghetti bewusst genießen
Wenn Du es schaffst, die lecker Spaghetti nur mit der Gabel zu essen und dich nicht dabei zu bekleckern, werden einem Engel im Himmel seine Flügel verliehen.