Korfu – Das bessere Italien
Korfu – Hier schmeckte ich das Meerwasser zum ersten Mal. Und Corfu Beer. Eine kleine Rundreise.
“Korfu ist das bessere Italien”, resümiert Sandra kurz vor Ende unseres Urlaubs auf Korfu.
Anfang Juli 2018 herrscht in Deutschland bereits seit Tagen eine unerträgliche Rekordhitze von über 32 Grad tagsüber. Nachts kühlt es kaum ab. Die Wettervorhersage verspricht für Korfu angenehme 28 Grad für die gesamte Woche, die wir da sein werden.
Die Wetter-App ist scheiße.
Auf Korfu ist es genauso heiß. Nur die Leute auf Korfu nehmen’s gelassen, wie sie überhaupt alles sehr gelassen nehmen. Das springt sofort auf uns über. Keine Hektik, alle total relaxed. Dazu die griechische Gastfreundschaft, die authentisch wirkt. Nicht so wie in Italien, wo man manchmal den Eindruck hat, dass Freundlichkeit einfach nur zum Geschäft gehört.
Korfu ist das bessere Italien.
Noch Tage nach unserem Urlaub muss ich immer wieder darüber nachdenken. Denn als gebürtiger Grieche – aber Italiener im Herzen – denke ich immer: “Italien ist das bessere Griechenland”. Ich meine all das gute italienische Essen, den Lebensstil, ja sogar den italienischen Fußball.
Sandra hat recht.
Für die WM 2018 konnte sich Italien nicht qualifizieren, und der Lebensstil auf Korfu ähnelt dem in Italien, mit dem Unterschied, das die Leute hier weniger blink-blink zur Schau tragen. Auch das Auge braucht mal Urlaub.
In Texas kriegst du kein schlechtes Steak und für Korfu gilt: hier kriegst du keinen schlechten griechischen Bauernsalat. Denn das wichtigste dabei ist, gutes Olivenöl zu verwenden. Korfu trieft nur so vor Olivenöl. 4 Millionen Olivenbäume zählt die Insel. Sandra hat sich vorgenommen: an jedem Tag, mindestens einen griechischen Bauernsalat.
A greek salad a day keeps the doctor away – Foto: Sandra
Korfu, hier hat Prinz Philip, der Gemahl von Königin Elisabeth II, als kleiner Junge auf Schloß Mon Repos bestimmt seine schönsten Sonnenaufgänge erlebt. Dafür bekam Vicky Leandros als kleines Mädchen an der Westküste der Insel die schönsten Sonnenuntergänge zu sehen. Und ich habe hier zum ersten Mal das Meer geschmeckt. Leider viel zu spät, denn im Unterschied zu Prinz Philip und Vicky bin ich nicht auf Korfu geboren.
Ich erinnere mich noch an unseren “Hausstrand”, den ich in 20 Gehminuten von unserem Dorf aus erreichen konnte. Ich ging täglich dorthin und lernte irgendwann das Schwimmen – ganz automatisch. Schwimmenlernen, was anderes gab es dort auch nicht zu tun – so gottverlassen war der Strand, dass ich jeden Kieselstein mindestens einmal umgedreht habe und einige davon versteckt.
Wie schaut es da heute aus und sind noch alle Kieselsteine in ihrem Versteck? Wird Zeit, es herauszufinden.
Kerkyra
So lautet der griechische Name von Korfu und gleichzeitig wird die Hauptstadt – Korfu-Stadt – als “Kerkyra” bezeichnet. Da ich die Stadt zum abendlichen Ausgehen bevorzuge, sollte auch unser Hotel in der Nähe sein, und die Ausgeh-Altstadt von Kerkyra gut und bequem mit dem Fahrrad zu erreichen.
“Wir denken oft, dass eine Erinnerung ein Bild ist, das wir von einer schönen Landschaft oder einem seltenen Erlebnis erhalten. Die Erinnerungen, die wir ein Leben lang behalten, sind jedoch die, die sich durch unsere Gefühle in einem bestimmten Moment eingeprägt haben.”
(Auszug aus der Webseite vom Mayor Mon Repos Palace Art Hotel)
Ein früher Flug bringt uns an einem Samstag Morgen nach Korfu-Stadt. Mit dem Taxi erreichen wir in nur 10 Minuten das Hotel. Eigentlich noch viel zu früh, um einzuchecken. Wir können unser Gepäck abstellen und schon mal die Räder im Hotel ordern. Es dauert eine Stunde, bis sie angeliefert werden. Um die Zeit zu überbrücken, lädt man uns zum Frühstück ein. “Die Erinnerungen, die wir ein Leben lang behalten, sind jedoch die, die sich durch unsere Gefühle in einem bestimmten Moment eingeprägt haben.”
Zugegeben, das Mayor Mon Repos ist nicht gerade das günstigste Hotel. Aber Lage und Service sind ideal, und unsere Gefühle schließlich unbezahlbar.
Zur Innen- bzw. Altstadt brauchen wir gerade mal 10 Minuten mit dem Rad. Wir nehmen meistens die Küstenstraße und genießen während der Fahrt den fantastischen Blick auf die nord-westlich gelegene Festung der Stadt.
Die Räder stellen wir an der Platia Leonida Vlachou ab und spazieren von dort aus auf die venezianisch anmutenden Arkaden zu, die von lauter coolen Cafes und Bars gesäumt ist. Sie erinnern an die Piazza San Marco in Venedig, nur trifft man dort in Korfu-Stadt vornehmlich junge Leute an, auch die einheimischen.
Arkaden in Korfu-Stadt
An einem der ersten Abende verliebt sich Sandra in “Ginger Baby” – ein Drink auf Gin-Basis, den ihr ein Kellner vom Kohlias empfiehlt, eine der Bars in den Arkaden. Ich glaube, den Kellner findet sich auch ganz süß. Ich merke das und mime am nächsten Tag den betrogenen Ehemann: “Du wirst diesen Mann nie wieder sehen!” – keine Reaktion. “Du wirst Ginger Baby nie wieder sehen!” – es hagelt Proteste.
Mein Lieblings-Drink: Bombay Crushed. Man stelle sich Caipirinha vor, Cachaça wird durch Bombay Sapphire Gin ersetzt, Limetten durch Kumquats. Davon gibt es auf Korfu zuhauf. Man stellt damit hauptsächlich Likör und Marmelade her. Von Bombay Crushed hat noch nie jemand was auf Korfu gehört. Eines Abends drucke ich das Rezept aus und gebe es dem Barkeeper vom Mayor Mon Repos. Wenn dir irgendjemand in ferner Zukunft sagt: “Auf Korfu kriegst du keinen schlechten Bombay Crushed”, merke dir: ich bin patient zero.
Kerkyra – Typisches Stadtbild
Hinter den Arkaden geht’s zum Shoppen und Essen. Die Küchen: fast alle griechisch / italienisch geprägt. Hier ißt man am besten Fisch und Pasta, und natürlich: griechischen Bauernsalat. Pescetarier kommen hier prima zurecht. Wer Fleisch mag, bedenke: 65 % der Fläche Korfu’s wird landwirtschaftlich genutzt. Davon entfallen mehr als die Hälfte auf Olivenbäume. Der Rest geht mehrheitlich für den Anbau von Wein und Zitrusfrüchten (Kumquats) drauf. Woher das ganze Frischfleisch kommen soll, ist mir ein Rätsel.
Korrelation oder Kausalität?
Olivenöl Pro-Kopf-Verbrauch:
Griechenland: 15 Liter pro Jahr
Deutschland: 1 Liter pro Jahr
Anzahl der Sexualakte:
Griechenland: 166 pro Jahr
Deutschland: 114 pro Jahr
Radfahren auf Korfu
Eins vorab: Korfu ist nicht Holland, und Korfu-Stadt kein Kopenhagen.
Wer bereit ist, das zu akzeptieren und in einer x-beliebigen deutschen Großstadt hin und wieder mal mit dem Rad unterwegs ist und bisher überlebt hat, der findet sich auf Korfu prima zurecht und wird eine Menge Spaß haben.
Eigentlich ist Korfu zum Radfahren ideal. Mit einer Länge von 60 km und einer Breite von gerade mal 10 km kann man jeden beliebigen Zipfel der Insel von jedem Ort aus in maximal Tagestour-Länge erreichen. Hin und wieder wird es arg hügelig mit starken Anstiegen, besonders im Innern der Insel und an der Küste entlang. Aber auf einem E-Bike stelle ich mir das recht locker vor.
Eine gesonderte Radwege-Infrastruktur gibt es nicht, dafür ist kein Platz. Und weil das so ist, teilen sich alle Verkehrsteilnehmer die bestehenden Wege und nehmen einander Rücksicht – so einfach ist das. Damit das klappt, muss man hin und wieder den Augenkontakt suchen und sich kurz abstimmen. Das funktioniert überall gut, selbst in Korfu-Stadt.
Hier gilt das Recht des Schwächeren: Autofahrer nehmen auf Motorrad- und Radfahrer Rücksicht, so nehmen Radfahrer auf Fußgänger besondere Rücksicht. Dicht auffahren oder laut klingeln ist total uncool und erschreckt nur die Leute.
Wir hatten uns für die gesamte Zeit Räder ausgeliehen und sind damit immer abends in die Stadt gefahren. In Korfu-Stadt gibt es tatsächlich einen ausgewiesenen Radweg, der aber hauptsächlich von Fußgängern genutzt wird. Alles andere wäre auch Verschwendung, denn es gibt kaum Radfahrer. Die Korfioten (nennt man tatsächlich so) erledigen alles per Auto oder Motorroller.
Von unserem Hotel aus haben wir mit den Rädern auch unseren ersten Ausflug unternommen – zum Achilleion. Die Strecke führt ein Stück die Küste entlang, über Kanoni am Kloster vor der Mäuseinsel vorbei und dann zum Schluß einen etwas ätzenden Anstieg hoch nach Achilleo. Ätzend deshalb, weil wir ausgerechnet in der gleißenden Mittagshitze gefahren sind.
Als Belohnung winken dafür gleich zwei der bekanntesten Wahrzeichen von Korfu: Die Mäuseinsel (“Pontikonisi”) mit der vorgelagerten Klosterinsel (“Vlacherna”) und das Achilleion.
Das einzig Spektakuläre an der Mäuseinsel ist ihre mausewinzige Fläche von gerade mal 100×100 Meter. Warum sie als Wahrzeichen gilt, bleibt mir ein Rätsel – vermutlich weil sie jeder Touri fotografiert. Warum fotografiert sie jeder Touri? Vermutlich weil sie als Wahrzeichen gilt. Haben wir sie fotografiert? Aber ja doch.
Parallel zum schmalen Steg, der die noch kleinere Klosterinsel verbindet, verläuft ein etwas längerer aber kaum breiterer Steg, auf dem man mit dem Fahrrad rüber auf die Straße nach Perama setzt. Auf Höhe des letzten Drittels dieses Steges sollte man unbedingt kurz Halt machen, um die ankommenden Flieger kurz vor ihrer Landung aus nächster Nähe zu betrachten – das ist mal wirklich spektakulär.
Links: die Mäuseinsel, rechts: das Kloster
Das Achilleion
In tödlicher Mission.
So hieß der Bond-Film aus dem Jahre 1981 mit Roger Moore. Der Großteil des Films wurde auf Korfu gedreht. Die romantischste Szene: auf der Terrasse des Achilleions, wo sich Bond und die schöne Melina unterhalten (hier auf YouTube zu sehen). Sie musste gerade an den Verlust ihres geliebten Vaters denken, da nimmt sie Bond ganz rührend in die Arme, um sie zu trösten. Seufz.
Das Achilleion ist untrennbar mit Sissi, der Kaiserin Elisabeth von Österreich verbunden. Sie ließ es 1890 erbauen und wohnte dort während der zahlreichen Aufenthalte auf ihrer Lieblingsinsel Korfu. Benannt wurde es nach dem griechischen Sagenheld Achilleus. Dementsprechend kann man im Inneren des Gebäudes das riesige Gemälde “Triumph des Achilles”, und draußen auf den Terrassen zwei Skulpturen bewundern: der “sterbende Achilles” war eine Idee von Sissi und die riesige Skulptur des “siegreichen Achilles” fällt auf Kaiser Wilhelm II. zurück, der das Achilleion nach Sissi’s Tod erworben hatte und der offensichtlich Sissi’s Logik nicht ganz nachvollziehen konnte, warum man einen Helden, den man angeblich wegen seiner Kraft bewundert, ausgerechnet in sterbender Pose darstellt. Nur gut, dass Sissi nicht den ebenso starken Hektor zu ihrem Lieblingshelden erkoren hatte: Dessen Leiche wurde an einen Wagen gebunden und von Achilles 12 Tage lang rumgeschleift.
Selfie mit Porträt von Sissi
Ansonsten gibt es eigentlich nicht viel zu sehen, und die Terrassenszenerie mit dem angrenzenden Schlosspark und dem schönen Blick auf’s Ionische Meer hat sich auch bald erschöpft.
Und was folgt auf einem Museumsbesuch, bevor man zurückradelt? Genau: Lass uns was trinken gehen! Am Ausgang geht’s links die Straße runter, nach etwa 50 Meter gibt’s ein kleines Bistro, mit fast noch fantastischeren Blick auf Ionische Meer und Corfu-Bier im Angebot.
Ich kenne bislang kein einziges griechisches Bier, dass es auch nur in die Nähe meiner Top 10 schaffen würde. Nach dem Genuss eines “Special Red” von CORFU BEER (Slogan: “…brewing real ale in Greece”), das ich hier in diesem Bistrot nach Besuch des Achilleions aus eisgekühlten Gläsern probiere, werde ich meine Liste wohl neu sortieren müssen…
Corfu-Bier wird übrigens überall auf Korfu ausgeschenkt, dafür muss man nicht unbedingt ins Achilleion, um danach was trinken zu gehen.
Sternfahrten
Der Mietwagen-Katalog weist die üblichen Verdächtigen auf, vom Kleinwagen bis zur Familienkutsche. Kategorie “VW Polo oder ähnlich” sollte ausreichen, Benziner versteht sich. Vor dem Frühstück gebe ich an der Rezeption Bescheid. Pünktlich nach dem Frühstück begrüßt uns eine junge Frau von Sixt. Mitgebracht hat einen Nissan. In den Katalogen bilden die immer deutsche Fahrzeuge ab – das hat System.
Frau von Sixt: “Sie haben Glück: bekommen zum selben Preis einen Diesel!”
Ich: “Schon mal was vom Dieselskandal gehört?”
Frau von Sixt: “Was! Nein. Wo denn?”
Hey, wir sind im Urlaub…
Nord-Westküste
Unsere erste Fahrt geht zur Westküste, erstes Ziel, ein Ort mit unaussprechlichen Namen: Paleokastritsa – Geburtsort von Vicky Leandros. Nur 23 km von unserem Hotel in Korfu-Stadt entfernt.
Als wir ankommen, fahren wir gleich weiter – ein einziges Gewimmel und zu touristisch. Weiter oben führt eine schmale Straße hoch zum Kloster von Paleokastritsa. Wer gerne fotografiert, sollte das unbedingt mitnehmen. Von da oben gelingen selbst mit unseren iPhone-Kameras atemberaubende Bilder vom Ausblick auf’s Ionische Meer.
Ausblick vom Kloster Paleokastritsa auf das Ionische Meer
Weiter geht es nördlich Richtung Agios Stefanos. Sandra hat einen echten Geheimtipp: Nur knapp 6 km von Agios Stefanos aus, Richtung Peroulades, erreicht man den Logas Beach (Google Maps Link). Ein idyllisch gelegener schmaler Sandstrandabschnitt, ruhig und fernab vom Massen-Tourismus. Schaut euch unbedingt die Bilder auf Google Maps an.
Nach dem Baden stärken wir uns im 7th Heaven, das sich gleich in drei wesentlichen Merkmalen von der örtlichen Gastronomie abgrenzt:
1. Lage: super-schön – direkt an den Klippen gelegen (das mit dem Super-Ausblick auf’s Ionische Meer spare ich mir von jetzt an)
2. Ambiente: super-stylish – würde auch gut in ein Frankfurter Hochhaus passen
3. Speisen: kein griechischer Bauernsalat – man kann ja auch nur eine Kleinigkeit trinken
7th Heaven – Blick vom Balkon
Es wird Abend.
Der nah-gelegene Agios Georgios Beach soll auch sehr schön sein. “Dinner bei Sonnenuntergang” lautet unser Motto – wir sind ja an der Westküste. Als wir das Auto parken, beschließen wir, einmal den Strand rauf und runter abzulaufen und spontan was auszusuchen.
Zu diesem Zeitpunkt hat Sandra schon von einem Restaurant-Tipp gelesen: “Fisherman’s Cabin” (Google Maps Link), nur blöderweise weiß sie noch nicht, dass es etwas außerhalb liegt. Irgendwann am äußersten südlichen Zipfel dann das erste Hinweisschild.
Wir laufen weiter in die angegebene Richtung. Dann kommt lange: nichts. Die nächste 3 Durchhalte-Hinweise ohne konkrete Entfernungsangabe folgen nach jeweils 1,5 km.
Als wir nach rund 5 km Fußmarsch durch dunkle Olivenhaine und -wälder spätabends im Fisherman’s Cabin ankommen, ist klar, dass wir zurück ein Taxi oder Boot nehmen. Wieder einmal wünsche ich mir, wir hätten uns E-Bikes statt Auto geliehen.
Am Eingang zum Fisherman’s Cabin werden wir darauf hingewiesen, dass das Fotografieren nicht erwünscht sei. Das heißt, den Sonnenuntergang natürlich schon, nur die Speisen und die Speisekarte nicht. “Wie originell”, denke ich, hier kommen bestimmt auch Außerirdische her. Die gerade nicht, erklärt mir Sandra etwas später, aber mit etwas Glück trifft man auf die Hollywood-Prominenz, Nicole Kidman und Co.
Etwas mehr Glück braucht man, um nicht von den Moskitos gestochen zu werden. Es wimmelt nur so davon. Stammgäste wissen das, die kommen nur mit Autan hierher. Soviel zu den Reisetipps aus der Süddeutschen.
Beim Anblick des Sonnenuntergangs werden wir zu einem Drittel entschädigt. Ein weiteres Drittel machen tatsächlich die Speisen wieder gut. Ich bestelle einen Baby-Meeresalgen-Salat mit Rote Beete-Dressing. Sandra will wieder einen griechischen Bauernsalat. “Und dafür laufen wir 5 km in Badeschlappen durch den Wald?” Mein böser Blick verrät meine Gedanken. Sie bestellt einen Orangensalat mit Zwiebeln. Die Hauptspeisen sind dann weniger kreativ, aber lecker.
Rechtzeitig zum Sonnenuntergang – Dinner im Fisherman’s Cabin
Ostküste
Ich träume.
Es ist Mittag, draußen ziemlich heiß. Ich gehe in ein Bistrot und bestelle mir eine Kleinigkeit zu essen. Dazu ein Bier. Als mir der Kellner wenig später das Bestellte serviert und das Bier von der Flasche ins Glas einschenkt, bemerke ich das Henninger Bier-Logo auf dem Etikett der Flasche.
Wie komme ich jetzt, im Spätsommer 2018, ausgerechnet auf Henninger?
Mir fällt es wieder ein…
Als ich noch ein Kind war, existierte eine magische Verbindung zwischen meinem Geburtsort in Griechenland und meiner Heimatstadt Frankfurt am Main: Henninger Bier.
Wenn ich zum Urlaub nach Griechenland fuhr, war immer alles anders: die Leute, das Essen, das Wetter, die Gerüche und Geräusche. Nur das Bier blieb konstant, nur schmeckte es in Griechenland immer besser als daheim in Frankfurt.
In ganz Griechenland gab es damals fast nur diese beiden Biere, Amstel oder Henninger, zur Auswahl. Nur in sehr touristischen Gegenden, wie auf Korfu, bekam man auch Premium-Biere. Seit Henninger Anfang der Jahrtausendwende vom Markt verschwunden ist, hat Amstel zwei, drei weitere Standard-Sorten als Marktbegleiter bekommen, unter anderem Mythos, Heineken und Alpha.
Alter Henninger Bierdeckel: zu Haus und hier dein Bier
Im Korfu der frühen Achtziger, als ich hier das erste mal einen ganzen Sommer verbrachte, wohnte ich bei einer Gastfamilie in einem kleinen Dorf im südöstlichen Teil der Insel. Unser Hausstrand war der Notos Beach. Dass er überhaupt einen eigenen Namen hatte, war schon verwunderlich. Denn dort gab es gar nichts, keine Taverne, kein Cafe, noch nicht mal ein WC. Der Strand selbst war winzig klein, bestand hauptsächlich aus Kieselsteinen und war nur so von getrockneten Algen durchsät. Es gab hier wirklich nichts besonders zu sehen, nichts zu tun, und nichts zu erleben. Ich wollte eigentlich immer nur an die größeren, touristischen Badeorte, Moraitika oder Messonghi fahren.
Das blieb leider die Seltenheit, ich war quasi einen ganzen Sommer lang auf Notos Beach verdammt. Vor lauter Langweile brachte ich mir das Schwimmen und Schnorcheln selbst bei. Als auch das erledigt war, begann ich besondere Kieselstein-Exemplare zu suchen und im Meer zu verstecken. Das war quasi meine Art, die Umgebung zu vermessen, um sie für immer in Erinnerung zu behalten.
Notos Beach, wie schaut es da wohl heute aus? Unser Ausflugsziel steht!
Wir fahren Richtung Süden, immer schön die Küstenstraßen entlang. An Benitzes und Moraitika vorbei. In Messonghi machen wir kurz Halt und trinken Kaffee. Zum Baden und Abhängen ist es uns hier zu touristisch. Weiter Richtung Lefkimmi.
Langsam wird es abenteuerlich. Die Küstenstraße führt verdammt steil und verdammt eng an abgelegenen Orten vorbei. “Ist das hier noch eine öffentliche Straße?”, fragen wir uns jetzt häufiger.
“Sie haben Glück: bekommen zum selben Preis einen Diesel!” Allmählich beginne ich zu verstehen, was die Sixt-Frau gemeint haben könnte. Denn Diesel verfügen über ein größeres Drehmoment als Benziner mit gleichem Hubraum. Ich habe zwar von Technik keine Ahnung, aber weiß aus meiner E-Bike-Erfahrung, dass mehr Drehmoment auch mehr Schmackes bedeutet.
Der Küstenabschnitt zwischen Messonghi und Notos Beach ist super-genial. Lauter kleine, schöne und einsame Buchten laden zum Baden ein. Und die enge, steile Küstenstraße an den Olivenhainen vorbei mit dem E-Bike zu fahren, das macht sicherlich einen Heidenspaß. Mensch, Jannis, das nächst Mal!
Wir erreichen Notos Beach.
Ich bin mir erst nicht sicher, denn es gibt Anzeichen von Zivilisation – ein Restaurant. Am Eingang prangt ein rundes Schild mit dem scharlachroten Ur-Logo von Henninger. Das läßt auf’s Baujahr schließen: Ende Achtziger, Anfang Neunziger.
Das Ding heißt “Electra’s Garden” und ist eine Mischung aus Restaurant und Strandbar mit eigenen Liegeplätzen, die terrassenförmig angeordnet sind. Links und rechts davon ist kein Stein mehr auf den anderen geblieben, auch kein Kieselstein. Und auch die Algen sind weniger, der sandige Meeresboden blitzt durch’s strahlend blauen Meer (auf Google Maps gibt es eine gute Auswahl an Bildern aus allen möglichen Perspektiven zu sehen).
Notos Beach – damals: nichts als Kieselsteine / heute: Sonnenterrassen vom Electra’s Garden
Weit und breit kein Touri, nur ein paar Einheimische. Wir sind begeistert, verbringen den ganzen Nachmittag dort. Nur einmal legt ein Boot mit Touris aus der Stadt an. Eine Stunde lang wird es richtig wimmelig und Electra’s Garden macht seinen Umsatz. Danach kehrt wieder Ruhe ein. Jetzt sind wir dran: Sandra bestellt einen griechischen Bauernsalat und ich bekomme mein Mythos Bier in einem eisgekühlten Glas serviert.
Bevor wir gehen drehe ich mich noch mal um und sehe mich als kleinen Jungen wie ich die Kieselsteine aufsammel.
Notos Beach: Was für ein Glück, damals wie heute.
Ein Gedanke zu “Korfu – Das bessere Italien”